Ein Bundestagswahlkampf wie eine Dose Bier

Nein, Politikwerbung ist nicht das gleiche wie eine Dose Bier zu verkaufen. Als Hausmeister Jean-Remy Matt neulich im Zeit-Interview erklärte, Angela Merkel sei ein „überlegenes Produkt“, provozierte er kalkuliertes Schmunzeln. Doch gerade dieser Vergleich zwischen Merkel, Sportwagen und Biermarken hinkt. Klar, „Überlegenheit“ ist etwas relatives, wie die Sehkraft des Einäugigen unter den Blinden. Der SPD ist Merkel sicher überlegen, aber im Vergleich zu Food, Beverages und Automotive ist sie trotzdem kein Produkt. Wäre Politik ein Produkt, dann wäre es ein Produkt mit negativer Nachfrage.

Für einen schönen Sportwagen sind Menschen bereit hohe Preise zu zahlen, aber auch eine Schrottkarre hat eine Nachfrage, wenn sie nur billig genug ist. Politik will niemand haben. Man will sie nichtmal umsonst. Man ist sogar bereits etwas zu „bezahlen“, beispielsweise einen Sonntagnachmittag den man zum Wählen opfert, nur damit man eine bestimmte Politik nicht bekommt. Das findet niemand schlimm. Das war vielleicht Mitte des 20. Jahrhunderts noch anders. Damals war man im Ruhrpott stolzer Bergmann, oder überzeugter christlicher Bürger der Vororte. Heute ist Politik nicht mehr status- oder identitätsstiftend. Angela Merkel ist also nicht der Porsche unter den Politikprodukten.

Damit die Wahl-Sonntage nicht schrecklich in die Hose gehen, gibt es so etwas wie gebührenfinanziertes öffentlich-rechtliches Fernsehen – weil wir uns offenbar selbst nicht zutrauen, für Politik-Medienberichterstattung angemessen zu bezahlen. Auch das findet niemand schlimm. Erst wenn Politik so vielen Menschen so egal ist, dass sie nicht mal mehr stört – wenn die Menschen nicht mehr wählen gehen – wird der Zustand der Demokratie als problematisch wahrgenommen. Trotzdem ist allen Wählern die Überzeugung gemein, dass sie politische Entscheidungen besser treffen zu können als „die Politiker“. Es ist wie beim Fußball und den 80 Millionen Nationaltrainern, nur mit dem Unterschied, dass man das Länderspiel ansieht um sich am Sieg zu berauschen und die politische Debatte um sich über die Debattierenden aufzuregen. Die glattgebügelten Worthülsen, die mangelnde Authentizität, den Populismus – Politiker sind jene Popstart deren Musik man nicht mag, die bestenfalls gerade ausreichen, um sich über sie lustig zu machen. Politik ist im besten Fall ein geringeres Übel.

Für Politiker muss das Ziel daher immer auch lauten: bloß nicht unangenehm auffallen und die Wähler nicht stören. Für Merkel gilt genau wie für Obama: „the buck stops here“. Wenn auf einer Pressekonferenz noch eine Plastikflasche im Bild steht, dann räumt Merkel sie unter den Tisch bevor die Übertragung startet, nachdem alle Pressereferenten versagt haben. Wenn für Schulz nicht genug Leute seinen Namen rufen, dann sorgt er schon mal persönlich für den Super-GAU. Angela Merkel ist also nicht der Porsche unter den Politikprodukten, sondern von zwei WG-Mitbewohnern die nie sauber machen derjenige, der öfters verreist und den man deshalb nicht als ersten ersetzt.

Es ist natürlich utopisch zu behaupten Politikwerbung könnte alleinstehend und nur durch den Einsatz von Mediageld funktionieren. Der größte Teil von politischer Kommunikation ist immer journalistisch und medienvermittelt. Wir leben in einer medienvermittelten Wirklichkeit, es gibt keine Wirklichkeit außerhalb von ihr und diese Wirklichkeit könnte auch komplett anders aussehen, wenn Medien zur Produktion einer anderen Realität fähig wären. Dieses Wissen hat sich den Weg von den Unis in die Köpfe der Menschen gebahnt – wie oft in der Menschheitsgeschichte passiert dieser Wissenstransfer stark vereinfacht.

Das zynische an der Wahrnehmung von und Nachfrage an Politik ist: die meiste Schuld am schlechten Image der Politiker haben nicht die Politiker, sondern die Medien. Sie haben sich die TV-Debatten-Formate ausgedacht und könnten sie auch ändern. Sie honorieren es wenn Politiker eingeführte Phrasen und Themen reproduzieren und sie lassen niemanden mit komplizierten Konzepten durchkommen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist sogar dreist genug, um den Kanzlerkandidaten nach dem TV-Duell vorzuwerfen, sie würden keine kontroversen Themen ansprechen, nachdem ihre Moderatoren keinen Raum für derartige Themen gelassen haben.

Wenn es also ein „überlegenes Produkt“ am Politikmarkt gäbe, wir alle würden es nie erfahren. Die ARD und ZDF wüssten es zu verhindern.